Die Vogelkirsche - Baum des Jahres 2010

Das Kuratorium Baum des Jahres hat die Vogel-Kirsche (Prunus avium L.) und somit quasi auch die Süß-Kirsche, die eine Varietät der Vogel-Kirsche ist, zum Baum des Jahres 2010 erklärt. Wenn sie Ende April, vor dem Blattaustrieb, und 1- 2 Wochen früher als die kleinere Sauer-Kirsche (Prunus  vulgaris L.) blüht, sieht man aufgrund der weißen Blütenpracht, wo dieser Baum vorkommt. Er wächst an Waldrändern, Südhängen und Auenwäldern, in denen er bis zu 7 Wochen Überflutung aushält.

Blühende Vogelkirsche in der Landschaft.

In der Jugend ist die Vogel-Kirsche relativ schattentolerant und wächst bis zu 70 cm jährlich. Sie wird im Wald bis 30 m,  im Freistand bis 20 m hoch und maximal 150 Jahre alt. Sie stellt keine hohen Ansprüche an Nährstoffe und Feuchtigkeit und ist sehr hitze-  und trockenheitstolerant, was  im Zeichen des Klimawandels von Vorteil ist. Die Vogel-Kirsche ist frosthart, allerdings spätfrostempfindlich, was vor allem für die Blüten gilt. Ein Baum trägt im Schnitt 1 Million Blüten; dies hat man tatsächlich gezählt. Und da die Vogel-Kirsche zur Familie der Rosengewächse gehört und damit mit Schlehen, Mandeln, Pflaumen, Aprikosen und Pfirsich verwand ist, hat jede Blüte 5 weiße Blütenkronblätter. Nach der kurzen Blütezeit von einer Woche fallen somit 5 Millionen Blütenblätter vom Baum herab.

 

Die Blüten stehen übrigens an Kurztrieben; die Langtriebe dienen dem Zweigwachstum. Ältere Kurztriebe nennt man auch durch die vielen Narben der Knospenschuppen Ringelspieße. Die Früchte stehen in doldenförmigen Büscheln zu 2-6 zusammen und sind ca. 1 cm dicke schwarzrote Steinfrüchte. Die Rinde ist dunkelrot oder graubraun glänzend ohne Borke mit quergestreiften Korkwarzenbändern. Die Wurzeln sind herzförmig und alte Kirschbäume haben meist bis zu 1,5 m am Stamm hochreichende Wurzelanläufe. Häufig tritt Wurzelbrut auf. Die bis zu 15 cm langen Blätter tragen am 3-5 cm langen Stiel 2-3 Nektardrüsen. Diese extrafloralen Nektarien ziehen Ameisen und Raubinsekten an, die schädliche Raupen fressen. 

Rinde der Vogelkirsche.

Die Herbstfärbung der Vogel-Kirsche ist leuchtend orange bis feuerrot.

 

Kirschbäume sind ein wichtiger Lebensraum. Die Bestäuber sind Hummeln und Bienen, auf deren Körper man bis zu 1 Million Pollenkörner gezählt hat. Die Vögel lieben die Früchte, deren unverdaute Kerne sie wieder ausscheiden und somit zur Verbreitung beitragen. Kernbeißer können die Kerne knacken. Mäuse, Eichhörnchen, Füchse und Dachse legen sich Wintervorräte mit Kirschkernen an. Wenn diese vergessen werden, kommt es zu Kirschbaumgruppen in der Landschaft. Weitere Bewohner sind Pilze und Raupen.

 

Das Holz hat einen dunklen Kern und dient als Möbelholz, z.B. Biedermeiermöbel, oder zum Musikinstrumentenbau.

Kirschzweig mit gedrängt stehenden Blüten.

Die Früchte enthalten viele Vitamine und Mineralstoffe, wie Kalium und Eisen.

Als Reaktion auf Stamm- und Astverletzungen entwickelt der Baum einen auffälligen Gummifluss, der in Blasen austritt und nach Härtung an der Oberfläche wie Bernstein in der Sonne glänzt. Dieses Kirschgummi wurde früher für Klebstoffe verwendet.

Getrocknete Kirschenstiele wirken entwässernd und schleimlösend. Bekannt sind auch die Kirschkernkissen, die man gern bei rheumatischen Erkrankungen anwendet.

Schon in der Stein- und Bronzezeit wurde der Kirschbaum wegen seiner Früchte nördlich der Alpen genutzt. Das weiß man von Kirschkernfunden in Pfahlbauten. Kultiviert wird er hier seit etwa 2000 Jahren. Der Name Kirsche geht auf die am schwarzen Meer gelegene Kleinstadt Kerasos zurück, von der die Kultivierung ausging.

 

Auch wenn wir nicht wie die Japaner ein Kirschblütenfest feiern, sollten wir die Vogelkirsche als schneeweiße Blütenkönigin achten.

 

Michael Düben, 2010       (Fotos copyright Michael Düben)