Samenvielfalt von der Gernsdorfer Höhe


Eine vielfältige Saatgutmischung aus heimischen Gräsern und Kräutern hat Michael Gierschmann aus Netphen-Nenkersdorf nun erstmals von artenreichen Wiesen auf der Höhe zwischen Irmgarteichen und Gernsdorf gewonnen. Der NABU (Naturschutzbund) Siegen-Wittgenstein begrüßt diese Maßnahme, die einen Beitrag zur Erhaltung und Verbreitung heimischer und an die regionalen Klima- und Bodenbedingungen angepasster Pflanzen leisten kann.


Von artenreichen Wiesen wurde das Saatgut gewonnen. (Foto: Eva Lisges)
Von artenreichen Wiesen wurde das Saatgut gewonnen. (Foto: Eva Lisges)


Mit einem Mähdrescher hat der Landwirt und Lohnunternehmer knapp 10 Hektar Wiesen im Schutzgebiet „Gernsdorfer Weidekämpe" beerntet. „Wir mussten experimentieren, bis wir die richtige Methode und Einstellung der Maschine herausgefunden hatten. Die Nachbarn waren verwundert darüber, was wir hier tun. Aber das Ergebnis kann sich sehen lassen", so Michael Gierschmann. Nachdem die Samen in einem Container mit Trocknungsboden getrocknet worden sind, lagern nun etwa sieben Kubikmeter Saatgut, abgepackt in große Säcke und regensicher verstaut, auf dem Hof der Familie Gierschmann.

Die Nachfrage nach heimischem, autochthonem Saatgut, z. B. für Einsaaten in der freien Landschaft am Rande von Straßen oder im Rahmen von Kompensationsmaßnahmen nach Eingriffen in Natur und Landschaft, steigt. Solches Saatgut ist derzeit aber auf dem Markt noch lange nicht in ausreichendem Maße verfügbar.

Die Anregung, heimisches Saatgut zu gewinnen und direkt in der Region zu verwenden, kam von Peter Fasel von der Biologischen Station Siegen-Wittgenstein, Mitarbeiter einer Arbeitsgruppe aus sechs Biologischen Stationen in Westfalen und dem Landesamt für Natur, Umwelt und Verbraucherschutz NRW (LANUV), die in diesem Arbeitsbereich tätig ist. Geeignete Flächen hatte Michael Gierschmann bereits selbst in der Bewirtschaftung: Im FFH-(Flora-Fauna-Habitat-) Gebiet „Gernsdorfer Weidekämpe" bewirtschaftet er Wiesen, auf denen sich durch jahrzehntelange extensive Nutzung, ohne Nachsaat mit gebietsfremdem Saatgut, eine große Vielfalt heimischer Arten entwickelt hat. Diese Flächen befinden sich teilweise im Eigentum der NRW-Stiftung (Nordrhein-Westfalen-Stiftung Naturschutz, Heimat- und Kulturpflege) und werden durch Biologische Station und NABU naturschutzfachlich betreut.

Für die Ausbringung des Saatgutes hat der Lohnunternehmer bereits konkrete Anfragen: eine Fläche soll nach dem Bau einer Industriehalle als Ausgleichsmaßnahme mit regionalem Saatgut eingesät werden, an anderer Stelle ist die Aussaat auf einer ehemals mit Fichten bestockten Fläche vorgesehen. Das Saatgut von der Gernsdorfer Höhe will Michael Gierschmann im eigenen Lohnunternehmen einsetzen: „So kann ich von der Vorbereitung der Fläche bis hin zur Saat mit regionalem Samen alles komplett aus einer Hand anbieten. Für die Zukunft ist auch eine Vermarktung des regionalen Saatgutes denkbar." Zunächst aber will er einen Probestreifen auf einer eigenen Fläche einsäen, um zu sehen, wie der Samen aufgeht und wie viel Saatgut pro Fläche eingesetzt werden muss.

Für das nächste Jahr gibt es bereits weitere Pläne, wenn alles so gut weiterläuft wie bisher: dann soll die Fläche nicht an einem Tag, sondern streifenweise in zeitlichem Abstand gedroschen werden; denn Samen verschiedener Pflanzenarten werden nicht alle gleichzeitig reif. Hierdurch verspricht sich der Landwirt eine noch größere Samenvielfalt.

 

Hintergrund:

Wildpflanzen passen sich während ihrer Entwicklung über unzählige Generationen genetisch den Besonderheiten ihres Wuchsgebietes an, z. B. den regionalen Klima- und Bodenverhältnissen. Es kommt dadurch innerhalb einer Art, die über ein größeres Gebiet verbreitet ist, zu einer ganz natürlichen und erhaltenswerten genetischen Vielfalt. Eine einzelne Pflanze ist in aller Regel dort am besten angepasst und somit wuchskräftig, wo sich ihre Vorfahren entwickelt haben. Vor diesem Hintergrund gibt das Bundesnaturschutzgesetz vor, dass ab 2020 in der freien Landschaft, außerhalb land- oder forstwirtschaftlich genutzter Flächen, nur noch Saatgut ausgebracht werden soll, dass aus der Region stammt. Der Fachmann spricht bei heimischen Pflanzen, die sich im Gebiet über lange Zeit entwickelt haben, von autochthonen Pflanzen bzw. entsprechend von autochthonem Saatgut.


Eva Lisges, August 2013