Das Naturschutzgebiet "Gernsdorfer Weidekämpe"

Die „Gernsdorfer Weidekämpe“, zwischen Wilnsdorf-Gernsdorf und Netphen-Irmgarteichen gelegen, ist durch eine jahrzehntelange, extensive landwirtschaftliche Nutzung entstanden. Im vorigen Jahrhundert befanden sich hier Gemeindeviehweiden, Hauberge, die neben der Holzproduktion auch als Weideflächen dienten, sowie klein parzelliertes Grün- und Ackerland. In den 1960er Jahren fiel ein Teil der Flächen brach. Gefördert durch Programme, die eine naturschutzgerechte Wirtschaftsweise honorieren (Vertragsnaturschutz), wurde die Bewirtschaftung in den 1980er Jahren wieder aufgenommen. Heute wird hier ausschließlich Grünland bewirtschaftet, der größte Teil im Rahmen des Vertragsnaturschutzes: späte Mahdtermine ermöglichen den Pflanzen, Samen zu bilden und sich zu vermehren und den bodenbrütenden Vögeln, ihre Jungen groß zu ziehen, ohne dass diese ins Mähwerk geraten. Der Verzicht auf Entwässerungsmaßnahmen und Düngung ermöglichen den seltenen, an diese Bedingungen angepassten Arten ein Überleben.

Die "Gernsdorfer Weidekämpe" hat eine große Bedeutung für den Artenschutz und gleichzeitig einen hohen landschaftlichen Reiz (Foto: Eva Lisges)
Die "Gernsdorfer Weidekämpe" hat eine große Bedeutung für den Artenschutz und gleichzeitig einen hohen landschaftlichen Reiz (Foto: Eva Lisges)

Bedingt durch unterschiedliche Bodenverhältnisse und Nutzungsarten (beispielsweise Mahd oder Weide) entwickelten sich verschiedene Biotoptypen und Pflanzengesellschaften des Offenlandes, von denen viele für den Naturschutz eine große Bedeutung haben. Hierzu zählen Borstgrasrasen, buntblumige Berg-Glatthaferwiesen, Feuchtweiden und Kleinseggen-Sümpfe. Vielfältige Strukturen wie Hecken, Einzelbäume und Quellen bieten Lebensraum für weitere Arten und dem Besucher ein attraktives Landschaftsbild.

 

Zu den bemerkenswerten Arten zählen Zehntausende Orchideen, hier vor allem das Gefleckte Knabenkraut (Dactylorhiza maculata) und die Grünliche Waldhyazinthe (Platanthera chlorantha) sowie in geringerer Individuenzahl das Breitblättrige Knabenkraut (Dactylorhiza majalis) und die Zweiblättrige Waldhyazinthe (Platanthera bifolia).

DIe Gernsdorfer Weidekämpe beherbergt das größte Orchideenvorkommen Südwestfalens (Foto: Michael Düben)
DIe Gernsdorfer Weidekämpe beherbergt das größte Orchideenvorkommen Südwestfalens (Foto: Michael Düben)

 

Auf Borstgrasrasen und mageren Standorten sind Arnika (Arnica montana) und die beiden sich ähnelnden Kreuzblümchenarten, das Gewöhnliche (Polygala vulgaris) sowie das Quendelblättrige Kreuzblümchen (P. serpyllifolia) zu finden. Braunkehlchen (Saxicola rubetra) und Wiesenpieper (Anthus pratensis), die ihre Nester auf dem Boden bauen, zählen zu den stark bedrohten Arten unserer Kulturlandschaft und finden in der „Gernsdorfer Weidekämpe“ noch Brutmöglichkeit. Als weitere bodenbrütende Vogelart ist die Feldlerche zu nennen. Diese war noch vor nicht allzu langer Zeit weit verbreitet, ist aber durch die Veränderungen in der Landwirtschaft stark zurückgegangen. Auch der Neuntöter, der typischerweise in Landschaften mit Dornhecken und Offenland vorkommt, ist als Brutvogel vertreten. Seit einigen Jahren lässt gelegentlich der Wachtelkönig seinen charakteristischen Ruf hören.

Der Wachtelweizen-Scheckenfalter (Melitaea athalia) und der Dunkle Wiesenknopf-Ameisenbläuling (Maculinea nausithous) seien als Beispiele aus der Vielfalt der vorkommenden Schmetterlinge genannt. Interessant ist die Entwicklung des Dunklen Ameisenbläulings, der dabei auf das Vorkommen bestimmter anderer Arten angewiesen ist: Der Falter legt das Ei in die Blüte des Großen Wiesenknopfes (Sanguisorba officinalis), wo die Raupe zunächst eine Weile frisst, sich dann auf den Boden fallen lässt und darauf wartet, dass sie von der Ameisenart Myrmica rubra in deren Nest getragen wird. Die Raupe lebt dort räuberisch bzw. wird von den Ameisen gefüttert, verpuppt sich im Ameisennest und verlässt dieses im nächsten Sommer als Falter.

 

Die Gernsdorfer Weidekämpe wurde 1989 als Naturschutzgebiet ausgewiesen, zunächst in einer Größe von etwa 80 Hektar, heute umfasst das Naturschutzgebiet 102 Hektar. Das Gebiet ist auch FFH-(Flora-Fauna-Habitat-)Gebiet, unterliegt also dem Naturschutz nach europäischem Recht.

 

Viele weitere Informationen enthält das Heft „Historische Entwicklung und ökologischer Zustand des Naturschutzgebietes „Gernsdorfer Weidekämpe““ von Peter Fasel, Heidrun Düssel-Siebert, Arthur Franz und Rolf Twardella. Es ist 1995 erschienen als Band 2 der Schriftenreihe „Beiträge zur Tier- und Pflanzenwelt des Kreises Siegen-Wittgenstein“, herausgegeben vom NABU Siegen-Wittgenstein und der Biologischen Station Rothaargebirge, Bezug über den NABU Siegen-Wittgenstein, info@nabu-siwi.de oder Tel. 02733-8135046.

 

Das Gebiet lässt sich über gut erschlossene Wege erkunden. Vor allem in der Zeit von Ende Mai bis Mitte Juli bieten 10.000e blühende Orchideen ein besonderes Naturerlebnis. Parkmöglichkeiten bestehen am Dorfgemeinschaftshaus in der Ortsmitte von Gernsdorf sowie direkt an der Straße auf der Höhe zwischen Gernsdorf und Netphen-Irmgarteichen. Am Ortsausgang von Gernsdorf liegt die Haltestelle „Gernsdorf Wende“ auf der Linie R 13 von Siegen nach Wilnsdorf-Wilgersdorf, die sich als Ausgangspunkt für eine Wanderung ebenfalls gut eignet.

Der Förderverein der NRW-Stiftung unternahm im Juni 2010 eine Exkursion durch die „Gernsdorfer Weidekämpe“. Der NABU Siegen-Wittgenstein führte durch das Gebiet, im Bild (im Vordergrund 2. v.l.) Michael Düben (Foto: NABU)
Der Förderverein der NRW-Stiftung unternahm im Juni 2010 eine Exkursion durch die „Gernsdorfer Weidekämpe“. Der NABU Siegen-Wittgenstein führte durch das Gebiet, im Bild (im Vordergrund 2. v.l.) Michael Düben (Foto: NABU)


Text: Eva Lisges

Ein Video der NRW-Stiftung über die Gernsdorfer Weidekämpe finden Sie hier