In Jahrmillionen sind auf der Erde unsere fossilen Energieträger entstanden. Geht der Verbrauch von Kohle und Öl in derzeitigem Tempo weiter, sind diese in Zeiträumen von Jahrzehnten, allenfalls Jahrhunderten, verbraucht. Atomkraft ist keine Alternative – dies zeigen folgenschwere Unfälle. Ein „weiter wie bisher“ ist somit nicht möglich, neue Wege sind gefragt, und hier bieten sich die regenerativen Energiequellen, darunter als wichtige Energiequelle der Wind, an.
Im Kreisgebiet wird zurzeit intensiv nach geeigneten Standorten für Windkraftanlagen gesucht.
Hierbei kam es zu vielen Diskussionen, wobei Stellungnahmen und Argumente des NABU teilweise fehlinterpretiert wurden. Einige aus unserer Sicht wichtige Aspekte zum Ausbau der Windkraft möchten wir an dieser Stelle erläutern.
Vorab ein kurzer – da nicht Gegenstand dieses Beitrags – Hinweis darauf, dass neben dem Ausbau alternativer Energien die Steigerung der Energieeffizienz und die -einsparung intensiv vorangetrieben werden müssen; Themen, die in der derzeitigen Diskussion um die Energiewende viel zu wenig Berücksichtigung finden.
Der Windenergienutzung stehen wir grundsätzlich positiv gegenüber. Deren Ausbau erfordert allerdings sorgfältige Planungen. Umfassende Untersuchungen sind zur Beurteilung der Eignung eines potentiellen Standortes notwendig, übereilte Entscheidungen bergen ein großes Risiko, Schutzgüter unnötigerweise zu beeinträchtigen. Kriterien wie die Windhöffigkeit des Standortes müssen ebenso berücksichtigt werden, wie der Schutz der Menschen in nahe gelegenen Siedlungen und der Biotop- und Artenschutz.
Natürlich müssen Windkraftanlagen wirtschaftlich betrieben werden können, dabei darf der größtmögliche Profit aber niemals das entscheidende Argument für oder gegen einen Standort sein.
Planungen müssten auf regionaler Ebene erfolgen
Die Genehmigung für einen einzelnen Windpark ist eine Sache. Durch die Errichtung von vielen Windparks in relativer räumlicher Nachbarschaft ergeben sich allerdings neue Probleme, z.B. für den Artenschutz, die auf kommunaler Ebene nicht zu lösen sind. So können mehrere Windparks, je nach Lage, zu einer großen Barriere für den Vogelzug, aber auch für den jährlich stattfindenden Fledermauszug werden. Auch können windenergiesensible Tiere nicht einfach einen neuen Lebensraum in der Nachbarschaft suchen, wenn dort ebenfalls Windparks entstehen.
Die Energiewende ist eine Herausforderung für alle. Das „Große Ganze“ muss bei der Planung im Auge behalten werden, nicht die Interessen Einzelner. Die Festlegung von Vorrangzonen für Windkraftanlagen und ebenso die Festlegung von Tabuzonen müssten daher im Rahmen der Regionalplanung erfolgen. Dies würde auch die Arbeit der Kommunen erleichtern und ihnen große Kosten ersparen. Die Planung auf kommunaler Ebene, wie derzeit praktiziert, ist bei solchen Problemen ungeeignet. Leider wird diese Chance nicht genutzt, da bei der derzeitigen Regionalplanung nur Vorrangzonen ohne Ausschlusskriterien gesucht werden.
Im Kreis Siegen-Wittgenstein befinden sich zwei der drei größten unzerschnittenen Naturräume Nordrhein-Westfalens! Unsere Gesellschaft sollte sich überlegen, ob es ihr wichtig ist, diese bisher nicht von technischen Anlagen überprägten Landschaften als besonderes Gut freizuhalten. Da diese unzerschnittenen Lebensräume nur einen Teil des Kreisgebietes umfassen, würde die Umsetzung der Energiewende dadurch nicht wesentlich behindert.
Qualifizierte Gutachten nach standardisierter Methode sind erforderlich
Für die Auswahl geeigneter Standorte sind vielfältige Untersuchungen erforderlich. Satzungsgemäß setzt sich der NABU hier vor allem für die Belange des Natur- und Artenschutzes ein, ohne die Wichtigkeit anderer Kriterien zu leugnen.
Laut Windenergieerlass dürfen Windenergieanlagen nun auch im Wald errichtet werden. Aber nur dann, wenn andere Bereiche (Offenlandbereiche oder vorbelastete Gebiete an Infrastrukturtrassen) nicht zur Verfügung stehen. Der Kreis Siegen-Wittgenstein ist der waldreichste Kreis der BRD, alle neuen Windkraftstandorte werden bei uns im Wald geplant. Speziell der Lebensraum Wald war bisher von technischen Überprägungen verschont. Eindeutig gehen allerdings von Windenergieanlagen im Wald Störungs- und Tötungsrisiken für bestimmte Tierarten aus. Inwieweit sich eine größere Anzahl von Windenergieanlagen im Wald negativ auf den Lebensraum auswirkt, ist in der vollen Tragweite noch nicht bekannt und absehbar.
Viele Tierarten, vor allem Großvögel und Fledermäuse, werden durch Windkraftanlagen beeinflusst. Manche Arten meiden dabei deren Umgebung, was den Verlust von Lebensraum bedeutet, andere können die Gefahr, die von den Rotoren ausgeht, nicht einschätzen. Bei den Letztgenannten besteht zum einen die Gefahr, dass sie durch die Rotoren erschlagen werden, andere, vor allem kleinere Arten, erleiden durch den Sog, der durch die Bewegung der Rotorblätter entsteht, tödliche innere Verletzungen.
Ob diese sogenannten windenergiesensiblen Arten im Einflussgebiet der geplanten Windkraftanlagen vorkommen und ob darunter gefährdete oder vom Aussterben bedrohte Arten sind, muss durch entsprechende Untersuchungen aufgezeigt werden.
Derzeit bestehen in Deutschland keine Vorschriften zur Qualifikation eines Gutachters, d.h. jedermann darf die Untersuchungen zum Vorkommen windenergiesensibler Arten durchführen. Ebensowenig gibt es Festlegungen für standardisierte Untersuchungsverfahren und Aussagen zu dem notwenigen Umfang. Je nach Gutachter, angewandter Untersuchungsmethoden und Untersuchungsumfang können die Ergebnisse erheblich voneinander abweichen. Standardisierte Untersuchungsmethoden und Hinweise auf eine notwendige Untersuchungstiefe würden die Vergleichbarkeit von Untersuchungsergebnissen ermöglichen.
Träger öffentlicher Belange müssen beteiligt werden
Bei derzeitigen Planungen zu Windenergieanlagen im Kreisgebiet wurde ein Antrag auf Genehmigung nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz gestellt. Nach diesem Verfahren werden Träger öffentlicher Belange nicht beteiligt, Gutachten und Planungsunterlagen können weder von betroffenen Bürgern noch von Verbänden eingesehen werden. Die Errichtung von Windkraftanlagen stellen bedeutsame Eingriffe in Natur und Landschaft dar; die Einsichtnahme in Planungsgrundlagen und somit auch die Chance, deren Qualität zu prüfen, sowie das Einbringen von Vorbehalten und Anregungen müssen möglich sein. Bei Zulassungsverfahren von Windkraftanlagen nach dem Bundesimmissionsschutzgesetz sollte daher eine Umweltverträglichkeitsprüfung mit Öffentlichkeitsbeteiligung durchgeführt werden. Dadurch wird das Verfahren transparent und entspricht den demokratischen Regeln unseres Staates.
Kompromisslösungen müssen erwogen werden
Konflikte zwischen Klimaschutz und Artenschutz sind bereits und werden auch weiterhin an einem Teil der potentiellen Standorte von Windkraftanlagen auftreten. Bei Konflikten mit dem Artenschutz gibt es neben dem Ausweichen auf andere Standorte auch oftmals die Möglichkeit, Vermeidungs- und Minimierungsmaßnahmen durchzuführen. So kann man z.B. zeitlich auszuweichen, d. h. die Rotoren zu bestimmten Zeiten oder Ereignissen abschalten. Ein Beispiel: Fledermäuse fliegen eher bei niedrigen Windgeschwindigkeiten, bei denen die Effizienz der Windenergieanlagen gering und ein Abschalten ökonomisch akzeptabel ist. Bei hohen Windgeschwindigkeiten und gleichzeitig hoher Effizienz sowie am Tage können die Rotoren aus Sicht des Artenschutzes problemlos laufen, da keine Fledermäuse fliegen. Individuelle Lösungen in Abhängigkeit der vorkommenden Arten und Kompromissbereitschaft aller Beteiligten sind hierbei erforderlich.
Der Erhalt der Biodiversität und damit verbunden der Funktionsfähigkeit des Naturhaushaltes, auch als Lebensgrundlage für den Menschen, sind ebenso wichtige Aufgaben wie der Schutz des Klimas.
Beides sind wichtige gesamtgesellschaftliche Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen.
Unter Berücksichtigung der oben genannten Punkte können Standorte aufgezeigt werden, an denen keine bedeutsamen Beeinträchtigungen wertvoller Schutzgüter zu erwarten sind, hier sollte die
Nutzung der Windenergie erfolgen.
Ein Positionspapier zum Ausbau der Energiegewinnung aus Wind und Biomasse findet man auf der Internetseite des NABU NRW, klicken Sie hier.
Helga Düben, Eva Lisges, Thomas Müsse
Oktober 2012